In der hier vorgestellten Arbeit, POLKU, geht es um eine Klanginstallation, die versucht, finnische Soundscapes in einen anderen Ort zu transportieren, nämlich nach Japan. Das Exponat besteht aus einer Art „Pfad“, den UserInnen durchschreiten während sie von Lautsprechern flankiert werden und städtische und ländliche finnische Alltags-Klänge hören. Diese Soundscapes sind zufällig zusammengestellt und stellen im Grunde Collagen dar. Welche Klänge zusammen erklingen ist für jede(n) UserIn verschieden. Dies hängt von ihrem jeweiligen Körpergewicht ab. Die Sound-Engine ist nämlich mit Waagen verbunden, die sich auf dem Boden des Lautsprecher-Pfades befinden. Je nachdem wie schwer Personen sind, die über den Pfad gehen, erhalten diese eine unterschiedliche ID, die Einfluss auf die schrittweise Zusammenstellung der Klänge nimmt. So entsteht für jede(n) UserIn ein individuelles Erlebnis mit Soundscapes.
Gestaltungshöhe
Soweit ich die Gestaltungshöhe des hier beschriebenen Exponats beurteilen kann, ohne es je wirklich gesehen zu haben (außer auf den Fotos) scheint mir der gestalterische Teil dieser Master-Arbeit durchaus sehr durchdacht zu sein. Es handelt sich primär um eine Klang-Installation, und der/die AutorIn kommt aus dem Feld des Sound Designs, sodass man meinen könnte, andere, dem Klang nicht zugehörige, Aspekte werden eventuell vernachlässigt, doch dem ist nicht so: Für den interaktiven Teil wurde eigens ein Interaction Designer engagiert, damit dieser Teil des Exponats genügend Aufmerksamkeit bekommt und selbst die optische Ebene des Exponats wurde beachtet. So wurden nicht einfach Lautsprecher aufgestellt, sodern die entscheidenden Themen in der Klangarbeit wurden visuell wieder aufgenommen: So ist ein wichtiger Kontrast, der sich durch die Klänge der Installation zieht, jener zwischen urbanem und ländlichem Soundscape, zwischen hi- und lo-fi Sound. Dies wird aufgegriffen indem alle elektronischen Bauteile des Exponats entweder ohne Gehäuse, oder mit freier Sicht auf ihr Innenleben konzipiert wurden, um das maschinelle des Urbanen zu betonen. Die Lautsprecher hingegen sind zwar auch bis auf die Treiber reduziert worden und besitzen ebenfalls kein Gehäuse, dennoch stehen diese auf dünnen Ständern so dass sie fast so aussehen als würden sie – wie Pflanzen – aus dem Boden sprießen, was die Natur-Ebene der Installation widerspiegelt. Man kann nicht umhin, die Gestaltungshöhe dieser Arbeit als mindestens gut zu bezeichnen.
Innovationsgrad
Ein Kunstwerk als Basis für eine Master-Arbeit zu gestalten, das auf Soundscapes basiert, halte ich persönlich für relativ innovativ. Ich selbst habe ähnliches in meiner Master-Arbeit vor, und habe dementsprechend in den letzten Monaten auch schon Literatur zum Thema gesucht. Während es insgesamt recht viel Literatur zum Thema Soundscapes gibt, wird meist jedoch nur das Field-Recording und das Anfertigen von Soundscape-Aufnahmen als Forschungsmethode der Akustischen Ökologie beschrieben. Die Auswahl an gut dokumentierten Soundscape-Kunstwerken, aber vor allem auch an theoretischen Auseinandersetzungen mit Soundscapes in der Kunst, ist eher gering. Hier leistet dieses Werk meiner Meinung nach gute Arbeit, indem zumindest kurz verschiedene theoretische Ansichten zum Thema zusammengetragen und mit dem Exponat der Arbeit in Beziehung gesetzt werden.
Selbstständigkeit
Die in der Arbeit beschriebene Installation lehnt sich teils stark an vorhergehende Arbeiten anderer Künstler an. Dies betrifft vor allem visuelle Aspekte der Installation. So ist die Ästhetik der naked-electronics, wie sie hier angewandt wird, beispielsweise weder neu, noch besonders raffiniert umgesetzt. Dafür wird sie gut in das Installationskonzept eingebunden. Auch die Ästhetik der verwendeten Lautsprecher wurde so fast identisch auch schon in anderen Installationen verwendet. Wo solche Anlehnungen passieren, wird dies aber stets vorbildlich kenntlich gemacht und als Inspiration ausgewiesen. Was die Idee der zufälligen Zusammenstellung von Soundscapes aus verschiedenen Einzelsounds betrifft, ist mir noch kein ähnliches Projekt bekannt. Das Kernthema der Klanginstallation, wird somit durchaus auf selbstständige Art und Weise behandelt.
Gliederung & Struktur
Insgesamt macht die Gliederung einen logischen Eindruck. So wird in einer Einleitung erst die Installation kurz beschrieben und danach in einem theoretischen Teil die interpretatorische Grundlage für das Exponat geliefert. Hierbei wird eine Definition des Begriffes Soundscape angegeben, aber auch eine Definition von Soundscapes als Kunstwerke versucht. Verschiedene Tätigkeitsbereiche in Kunst und Forschung, in denen Soundscapes eine zentrale Rolle spielen (Soundscape Komposition, Film-/Video- & Game-Design, Phonographie, Field-Recording, Soundwalks etc.), werden angegeben und erläutert, bevor schließlich die Konzeption und Umsetzung der Klanginstallation im Detail beschrieben wird. Der theoretische Teil nimmt ziemlich genau 50 Prozent des schriftlichen Arbeitsumfangs ein, die andere Hälfte die Projektbeschreibung. Zwei Dinge könnten hier kritisch angemerkt werden. Erstens finde ich die Tatsache, dass nur ein Kapitel der ganzen Arbeit Unterkapitel besitzt, während alle anderen Kapitel mit nur einer Überschrift auskommen, etwas inkonsistent, vor allem, da das besagte Kapitel (Lautsprecher-Ästhetik & technische Kennzahlen) weder besonders wichtig noch lang ist. Vielmehr hätte ich dieses Kapitel unter einen einzigen Überschrift an den Anfang der Projektbeschreibung gesetzt, statt mit Untergliederung am Ende der Arbeit, wo eigentlich die wichtigsten und spannendsten Dinge Platz finden könnten. Zweitens erscheint mir die Projektbeschreibung im zweiten Teil bei genauerem Hinsehen, etwas künstlich aufgeblasen, da teils sehr große Abbildungen viel Platz auf den Seiten einnehmen. Hier hätte ich es besser gefunden, den Platz für mehr Informationen zu nutzen (v.a. da der Originalarbeit schon eine Video-Doku beiliegt), beispielsweise für noch mehr theoretische Grundlagen und Inspirationen.
Kommunikationsgrad
Bezüglich des Kommunikationsgrades ist festzuhalten, dass sowohl die Art der Formulierungen, als auch wie tief die Informationsweitergabe geht, dem Kontext angemessen gewählt wurde. Als sehr angenehm habe ich empfunden, dass die Arbeit in gut lesbaren, logisch leicht verständlichen, einfachen aber nicht banalen Sätzen geschrieben ist, auch wenn es sich, betrachtet man den wissenschaftlichen Apparat der Arbeit, eindeutig um eine gewissenhafte Forschungsarbeit handelt. Viel zu oft sind wissenschaftliche Texte allzu kompliziert und schwer leserlich formuliert, beispielsweise durch Verwendung unnötig vieler Schachtelsätze, was die Kommunikation erschwert, vor allem, wenn die Sprache der Arbeit nicht die Muttersprache der LeserInnen ist. Wo neue Begrifflichkeiten eingeführt werden, die nicht als allgemein verständlich angesehen werden können, wird außerdem stets versucht, diese anhand von Literatur zu definieren und zu erklären, beispielsweise Begriffe wie Soundscape, Soundscape Composition, Field-Recording etc.. An der ein oder anderen Stelle wäre eine noch genauere Beschreibung von Fachbegriffen im Hinblick auf die Verständlichkeit des Textes für Laien im Bereich Sound Design vielleicht nicht schlecht gewesen, aber im Großen und Ganzen ist dem, was beschrieben wird und dem roten Faden der Arbeit stets befriedigend zu folgen.
Umfang der Arbeit
Über den Umfang lässt sich bezüglich dieser praktisch-künstlerischen Master-Arbeit nicht wirklich Zuverlässiges sagen, zumal das Produkt der Master-Arbeit ein Exponat in einer japanischen Ausstellung war, und dieses nicht mehr existiert/nicht mehr besichtigt werden kann. Hier lässt sich nur mutmaßen, dass die Umsetzung eines solchen Ausstellungsstückes höchstwahrscheinlich Arbeitsanstrengungen in größerem Umfang benötigte: Es musste ein funktionierendes Konzept entwickelt werden, wie die Soundscape-Collagen zustande kommen, wie diese durch Interaktion getriggert werden, wie die einzelnen Klangelemente beschaffen sein müssen, damit verschiedene Kombinationen aus Klängen miteinander funktionieren. Außerdem ist hierfür relevant, wie das Exponat präsentiert werden muss, damit es im Kontext einer echten Ausstellung funktioniert und mit anderen Exponaten zusammen wirkt und schließlich, wie die sinnvolle Verkopplung von Sound-Engine und User-Input (Gewicht der UserInnen) aussehen kann. Dies klingt eindeutig nach viel Arbeitsaufwand. Hinzu kommt, dass die Dokumentation des Werkstücks immerhin über 50 Seiten umfasst (wenn auch mit großzügigen Seitenrändern) und an verschiedenen Stellen, wo nötig, Inspirationsquellen und historisch-theoretische Grundlagen für das Exponat benannt und geschildert werden. Insgesamt schätze ich den Umfang der Arbeit also als mehr als ausreichend für eine Master-Arbeit ein.
Orthographie, Sorgfalt & Genauigkeit
Die Arbeit, beziehungsweise die Projektdokumentation, scheint sehr sorgfältig umgesetzt worden zu sein. So gibt es ein ordentliches Literaturverzeichnis und auch der sonstige wissenschaftliche Apparat ist übersichtlich und zweckmäßig gestaltet. Es gibt auch ein Abbildungsverzeichnis und die Dokumentations-DVD, auf der es scheinbar eine Video-Dokumentation zu sehen gibt, wird auch angeführt, auch wenn diese natürlich in der hier beschriebenen Google-Scholar-Version der Arbeit fehlt. Orthographisch ist anzumerken, dass ich einen Tipp- bzw. Rechtschreibfehler in der Arbeit entdecken konnte. Sonst ist der Text meines Erachtens fehlerfrei und bezüglich der in diesem Absatz beschriebenen Bewertungskriterien befriedigend.
Literatur
Es ist reichlich Literatur angegeben, die die Ausführungen zum Ausstellungsstück, seinem kunstgeschichtlichen Hintergrund sowie die Anlehnung an Inspirationsquellen schriftlich untermauert: Die Bibliographie umfasst 3 volle DIN A4 Seiten (32 Quellen) und die Art der Quellen ist breit gefächert. Es gibt Monographien (auch vom „Gründer“ der Soundscape-Forschung und -Kunst selbst), Online-Artikel, sowie kunsttheoretische Aufsätze von zeitgenössischen und historischen Künstlern. Auch wird nicht nur das Kernthema die Verwendung von Soundscapes in der Kunst in seinen verschiedenen Facetten abgedeckt, sondern auch weiter entfernte Verwandte dieser Kunstformen werden literarisch einbezogen, wie beispielsweise der Futurismus. Den literarischen Unterbau kann ich daher nur als sehr gut und äußerst wissenschaftlich bewerten, vor allem wenn man bedenkt, dass es zu diesem speziellen Thema noch nicht allzu viele Literatur gibt, handelt das meiste doch eher von Soundscapes als Forschungstool von ökologischer Bedeutung.
Quelle: URL: https://aaltodoc.aalto.fi/handle/123456789/19871, zuletzt aufgerufen am 17.11.2020.