Vorgehensweise
Die hier besprochenen Aufnahmen fanden am 7. Mai 2020 im Stadtpark Graz statt. Mit Hilfe von Stativen, 2 Fieldrecordern und unterschiedlichen Mikrofonen wurden 4 verschiedene Mikrofonanordnungen realisiert, die gleichzeitig aufnahmebereit waren: XY, Klein-AB, ORTF & MS (Details sind dem Layout-Diagramm zu entnehmen). Da im Nachhinein festgestellt wurde, dass bei der ORTF-Anordnung ein Fehler unterlaufen ist, fließt diese Mikrofonierung nicht in die Analyse ein. Da die Aufnahme draußen stattfand ist ein vorwiegend diffuses Schallfeld anzunehmen (Abweichung u.U.: ca. 3,5m hinter der Anordnung befand sich die Holzwand der Untersuchungshaft-Anlage der Polizei Graz). Alle Mikrofone waren auf einer Linie angeordnet, waren aber natürlich zwangsläufig seitlich etwas versetzt zueinander aufgestellt.
Mit Hilfe dieses Aufbaus wurden verschiedene Schallquellen aufgenommen, wobei die Mikrofone dabei vom jeweiligen Sprecher/von der jeweiligen Schallquelle umkreist wurden. In meinem Fall ist einmal ein mit dem Mund gemachtes Tropfgeräusch aus verschiedenen Positionen zu hören, und einmal das Durchdeklinieren des Ausdrucks “hab’ ichs?” auf schwäbisch. Ziel war es, die unterschiedliche Aufnahme von (räumlicher) Klanginformation durch verschiedene Mikrofonanordnungen & -typen hörbar zu machen.
AB-Anordnung
Im Vergleich fällt zunächst gleich auf, dass das Ambiente aus Hintergrundgeräuschen auf der mit AB-Anordnung realisierten Aufnahme viel präsenter wirkt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den Vergleich mit XY- sowie mit MS-Anordnungen. Genauer betrachtet fällt noch etwas auf: In diesem speziellen Fall lenken die Geräusche des Ortes, die gleichzeitig mit dem “Nutzsignal” auftreten, bei der AB-Anordnung besonders ab. Dies mag am über die Kugel-Mikrofone deutlicher hörbar aufgenommenen, tieffrequenten Hintergrundrauschen des Autoverkehrs liegen, der bei den anderen Aufnahmen nicht so ins Gewicht zu fallen scheint. Diese Beobachtung gilt sowohl für das Tropfgeräusch als auch für das Beispiel mit gesprochener Sprache.
Außerdem fällt aber auch die ungerichtete Aufnahme der Kugel-AB-Anordnung auf. Beim Umkreisen der Mikrofone halten sich Pegel- und Klangunterschiede relativ in Grenzen: es gibt keine bevorzugte Aufnahmeachse. Wo dies ein Kriterium ist, beispielsweise wenn es darum geht Ambient-Sounds eines Ortes aufzunehmen und nicht ein bestimmtes Klangereignis aus einer bestimmten Richtung, scheint sich also eine solche Anordnung zu lohnen. Ebenso ist der tieffrequente Anteil bei einigen Schallquellen sicherlich gewünscht.
MS-Anordnung
Beim Vergleich mit der AB-Anordnung ist mir bei den MS-Aufnahmen die für meinen Geschmack “schönere” Trennung von Hintergrund und “Nutzsignal” positiv aufgefallen. Gleichzeitig fällt auch auf, dass viel genauer zu erkennen ist, von wo das Geräusch auf die Membranen des Mikrofons trifft: es macht einen großen Unterschied, ob SprecherInnen/die Schallquellen sich frontal vor oder hinter bzw. seitlich vom Mikrofon befinden. Hört man sich die Aufnahmen an, kann man dies als HörerIn sofort nachvollziehen. Natürlich geht dafür mehr Signal verloren, wenn man sich “hinter” dem Mikrofon bei der Aufnahme befindet.
Außerdem scheint die Aufnahme mit der MS-Technik höhenlastiger zu sein, was vor allem bei der Aufnahme von gesprochener Sprache sofort auffällt: der Klang ist brillanter als bei der AB-Anordnung. Was bei der Aufnahme von basslastigen Signalen störend sein kann, ist bei Sprache unter Umständen förderlich.
XY-Anordnung
Als drittes Beispiel ist noch die XY-Anordnung zu nennen. Hier merkt man, dass der aufgenommene Klang sehr deutlich “in der Mitte des Geschehens” ist (solange man sich einigermaßen frontal vor den Mikrofonen befindet). Ähnlich wie bei MS, ist das aufgenommene Signal höhenlastiger, als das der Kugeln.
Eigentlich entspricht das sehr meinen Hörgewohnheiten, da ich viel Popmusik höre und selber produziere. Für mich “muss” vor allem Stimme eigentlich immer im Zentrum stehen und übertrieben deutlich wiedergegeben werden. Vergleicht man allerdings die räumliche Abbildung mit der der MS-Mikrofonierung, finde ich, dass XY-Aufnahmen etwas künstlich “mittig” klingen: Zum selben Zeitpunkt scheint sich das gleiche Signal bei Positionsveränderungen während der Aufnahme über XY weniger zu verändern als über MS. Mir kommt die MS-Abbildung der Position und des Raumes natürlicher vor.
Fazit
Bei ca. Sekunde 48 hört man einen Windstoß in der MS-Aufnahme sehr deutlich, der bei den anderen Aufnahmen kaum hörbar ist. Trotz dieser scheinbar höheren Störanfälligkeit der Mitte-Seite-Anordnung, gefällt mir diese Anordnung, zumindest für die hier angesprochenen Beispielaufnahmen, am besten: Für Sprachaufnahmen aus einiger Entfernung und im Kontext von konstantem Verkehrsrauschen im Hintergrund war mir die AB-Anordnung weder frequenzbezogen noch von der räumlichen Abbildung her am liebsten. Die höherlastigen und besser zu lokalisierenden Aufnahmen über XY und MS haben mir diesmal einfach besser gefallen.
Bisher habe ich immer nur mit der internen XY-Anordnung meines Zoom H4n Rekorders aufgenommen und kannte MS-Aufnahmen noch nicht wirklich. Deshalb war ich überrascht wie anders (und ich finde natürlicher) MS-Aufnahmen Positionsveränderungen der Schallquelle im Vergleich zu XY wiedergeben.