Ich habe mich in den letzten Wochen mit Themen rund um den Dokumentarfilm beschäftigt, um am Ende zu der Antwort auf meine Frage “Wie entsteht im Dokumentarfilm Identifikation?” zu kommen.
Dazu musste ich aber erst einmal andere Aspekte des Genres betrachten.
WELCHE MODI GIBT ES?
Ich habe schon sehr viele Dokumentarfilme gesehen, hatte mich aber noch nicht mit den verschiedenen Typen beschäftigt und während meiner Recherche nicht nur neue Begriffe gelernt, sondern auch verstanden, wie sich verschiedene Arten unterscheiden lassen. Ich werden hier drei Typen vorstellen, die auch relevant für die Entscheidung für meinen eigenen Dokumentarfilm sind.
1) Cinema Varieté
Bei diesem historischen Typ von Dokumentarfilm stellen sich die FilmemacherInnen direkt ins Geschehen. Sie sind nicht nur sichtbar, sondern interagieren auch mit den Protagonisten. Diese werden an die Originalschauplätze gebracht (zB. eigenes Haus, Ort an dem das Ereignis passiert ist, …) und dort gefilmt.
Dazu fielen mir einige YouTube-Dokumentarreihen ein, die aktuell sehr beliebt sind. Sie zeigen die Reporter bei ihren Recherchen, sowie Interviews. Sie drehen Dokus, halten sich dabei als Filmemacher aber nicht komplett raus, sondern beziehen Position und geben auch dem Protagonisten einen anderen Stand im Film, indem sie ihn in der Szene begleiten.
zum Beispiel:
STRG_F: https://www.youtube.com/watch?v=R1fO80t3oh4
Die Frage: https://www.youtube.com/watch?v=3HrUtDDNKDQ
2) Direct Camera
Auch bei den Dokumentarfilmen diesen Types gibt es kein Voice Over. Jedoch versuchen sich hier die Filmemacher (sowie Kameraleute samt Equipment) im Hintergrund zu halten. Die Protagonisten sollen die Kamera vergessen, sie nicht beachten. Dabei findet auch keine direkte Interaktion zwischen dem Filmemacher und dem Protagonisten vor laufender Kamera statt.
3) Voice Over
Die Dokumentarreihen “Menschen Hautnah” (WDR) und “37°” (ZDF) verwenden diese Form häufig, um mit einem Erzähler die Situation, die der Zuschauer sieht, auch noch zu beschrieben, bzw. zu kommentieren. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um eine Mischform aus Voice Over und Direct Camera. Die Protagonisten werden ebenfalls (ohne die Filmemacher) gezeigt und interviewt.
zum Beispiel:
Menschen Hautnah: https://www.youtube.com/watch?v=zg_JuRFg7tI
DAS PROBLEM MIT DER WAHRHEIT
Während meiner Recherchen und zur Beantwortung meiner große Frage nach der Identifikation im Dokumentarfilm habe ich mich irgendwann gefragt, wie man denn nun die Wahrheit am besten verpackt. Ist es der Job von einem Regisseur, etwas einzugreifen, oder grenzt das an Manipulation?
Am Ende meiner aktuellen Recherche denke ich, dass man diese Frage am besten mit den verschiedenen Modi der Dokterten beantworten kann. Denn letztendlich entscheidet die Intention des Regisseurs, was wie gezeigt werden soll. Diese sollte natürlich sein, so viel Wahrheit wie möglich zu zeigen. Aber auch so, dass sie ankommt.
Jede der drei Formen hat eine andere Wirkung auf den Zuschauer. Wenn man eine Situation in drei Versionen drehen würde, man würde wahrscheinlich drei unterschiedliche Filme sehen.
Im Lettre-Artikel macht der Autor jedoch einen entscheidenden Unterschied deutlich: Man kann Personen in eine Situation bringen und sie dann filmen (mies en situation), das heißt allerdings nicht, dass man sie im gleichen Zuge inszenieren muss (mise en scene). Mir gefällt diese Unterscheidung, und obwohl ich noch etwas weiterforschen kann in diese Richtung meine ich, eine Antwort auf meine Frage gefunden zu haben.
Natürlich ist die Wirkung des Dokumentarfilmes auch von dem Thema, den Protagonisten und der Drehart abhängig. Aber ich denke auch, dass sich der Regisseur vorher seiner Intention und Machart bewusst sein sollte und sich im besten Fall (und egal in welchem Modi) in seinen Protagonisten reinversetzen sollte. Was würde ich wie am besten Preis geben können, wenn jemand eine Kamera auf mich hält?
Literatur dazu:
https://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/publikation/televizion/25-2012-1/Kinateder-Dokumentarische_Formate.pdf
https://www.schueren-verlag.de/programm/titel/261–spielarten-des-dokumentarischen.html