Anatomie der Buchstaben (2)

Das kleine L:

Das l ist maßgeblich für die Strichstärke des Stamms, gleich wie das o maßgeblich für die Formbestimmung und Stärke der Rundungen ist. Zwar ist nicht jeder Stamm gleich fett, trotzdem dient das l als Ausgangspunkt für ähnliche Formen. 

Strichstärke

Kleinbuchstaben sollten einen helleren Grauwert als die dazugehörigen Großbuchstaben haben. Deshalb wird die Strichstärke des l gegenüber des L leicht verringert. Dies gilt auch für alle anderen Kleinbuchstaben. Als Folge des helleren Grauwerts sind auch die Serifen von Kleinbuchstaben etwas kleiner.

Anstrich

Den Anstrich gibt es nur bei Kleinbuchstaben. Er entwickelte sich von einer gerundeten oder spitzen Keilform (ursprünglich ein Resultat vom Schreiben mit der Feder) im Laufe der Zeit zu einer gestreckten, flacheren Variante – in manchen Fällen sogar zu einem waagrechten Strich.

Oberlängen

Als Oberlängen bezeichnet man den Teil eines Kleinbuchstabens, der über die Mittellänge hinaus geht. Oberlängen ragen oft über die Versalhöhe hinaus – eine optische Korrektur, die Versalien und Gemeine auf einer Höhe erscheinen lässt und gleichzeitig, besonders bei Schriften mit Hoher x-Höhe, die Lesbarkeit fördert.

Das serifenlose kleine L

Bei der Gestaltung des kleinen L steht man vor dem Problem der Verwechslung mit dem großen i. Möglichkeiten zur besseren Unterscheidung: Schräg endende Oberlänge, ein Bogen am unteren Ende, Oberlängen ragen über die Versalhöhe hinaus, oftmals ist das kleine L auch etwas magerer als das große i.

Die Buchstaben c & e:

Das c & e sind mit dem o verwandt, ihre Bögen stimmen allerdings nicht überein. 

Grauwert

Aufgrund ihrer seitlichen Öffnung würden die beiden Buchstaben leichter wirken, sie hätten einen helleren Grauwert als das geschlossene o. Als Gegenmaßnahme werden c & e etwas schmäler gezeichnet.

Gegengewicht

Die oberen Hälften von e & c wirken schwer, deshalb wird eine Art Ausgleich benötigt. Dieses zusätzliche Gewicht wird im Südwesten des Bogens eingefügt —> der Bogen wird an dieser Stelle etwas fetter, beim e (aufgrund des größeren Gewichts) ein wenig mehr als beim c. Das Hauptgewicht des Bogens rutscht bei c und e also nach unten, wodurch sich auch deren optische Achse etwas nach links neigt.

Das Auge und der Querstrich des e

Die Eingeschlossene Punze des e wird Auge genannt. Das Auge muss nicht symmetrisch sein und ist es in den meisten Fällen auch nicht. Oft sind Auge und Bogen auf der linken Seite etwas größer. Das Auge kann gerundet oder kantig sein. Auch eine Kombination (rechts gerundet, links kantig) ist möglich.
Auch für den Querstrich des e gibt es verschiedene Varianten. Er muss nicht waagrecht mit gleichbleibender Strichstärke sein. Für die venezianische Renaissance Antiqua ist beispielsweise ein schräger Querstrich charakteristisch, außerdem verjüngt sich der Querstrich nach links. Bei Renaissance-Schriften liegt der Querstrich sehr hoch, was die Leserichtung betont. Besser lesbar ist aufgrund der dadurch größeren Punze allerdings ein tieferer Querstrich.

Der Auslauf des c

Die Ausläufe des c können sehr unterschiedlich aussehen – der Ursprung liegt beim handschriftlichen Schreiben mit einer Feder. Der Strichabschluss einer venezianischen Renaissance Antiqua ist einem Federzug nachempfunden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dieser über ovalen Endungen (französische Renaissance und Barock Antiqua) zu einem fetten, kugelförmigen Abschluss (klassizistische Antiqua). Serifenbetonte Antiqua Schriften besitzen meist große, rechteckige Serifen. Auch bei manchen serifenlosen Schriften ist ein kalligraphisches Vorbild erkennbar – eine aus der Gewichtsverschiebung im Bogen resultierende geneigte Achse sowie ein heruntergezogener Bogen, der an eine Ausgleichsserife erinnert, sind möglich.
Die Größe der Ausläufe variiert ebenfalls stark – als Richtwert gilt aber, dass diese niemals größer als die Strichstärke des Bogens sein sollten.
 

Das Strichende

Das Strichende (rechts) unten kann spitz oder stumpf auslaufen. Die Strichstärke entspricht in etwa der einer Haarlinie. Das Strichende des c ragt oftmals über die obere Serife hinaus, während das Strichende des e meist bündig abschließt, oder sogar zurückgezogen ist.