Am 12.Mai.2020 übte ich mich in unterschiedlichen Aufnahmetechniken. Plan war es, eine „Fieldrecording-Aufnahme“ von meinem Balkon zu machen, doch ich musste schon bald mein Konzept ändern, da der Wind an diesem Tag zu stark war. Ich probierte es mit zusätzlichem Windschutz zum regulären Windschutz mit Wollsocke etc., doch der Wind war einfach zu stark. Ich versuchte als letzte Option dann noch die Mikrofone in den Raum in Fensternähe zu stellen, doch selbst dort kamen noch zu heftige Windstöße an die Membranen der Mirkos. Da die darauffolgenden Tage auch noch mit Wind zu rechnen war, überlegte ich mir komplett etwas anderes. Ich suchte mir einen Raum im Haus, welcher windstill war, genug Raum hatte, um die Stereofonie zu nutzen und zur Verfügung stand, ohne meine Mitbewohner direkt zu stören. Ich landete dann im Stiegenhaus bzw. im Vorraum im 1. Stock. Dieser Ort hat relativ viel Nachhall und klingt nicht trocken. Eine Klangquelle war natürlich von Nöten, ansonsten wäre hier relativ wenig zu hören gewesen, also entschied ich mich selbst die Steirische Harmonika zu spielen und mich zugleich aufzunehmen. Das gute an diesem Instrument ist, dass es neben einer Melodieseite ca. 30-100 cm horizontal versetzt eine Bassseite hat, auf welcher sozusagen die Begleitung gespielt wird. Es lässt sich also mit nur einem Instrument der Eindruck erzeugen, als würden zwei oder mehrere Leute musizieren. Und es gibt zwei Schallquellen; die Melodieseite und die Bassseite, welche allerdings in der Position variiert, da der Balg zum Spielen ja bewegt werden muss, und sich zugleich die Bassseite verschiebt. Natürlich beträgt die Distanzänderung hinsichtlich der zwei Quellen maximal nur 1m und es wären noch mehrere Schallquellen gut gewesen, ich musste mich aber der Situation anpassen. Trotzdem konnte ich bei den unterschiedlichen Aufnahmetechniken Unterschiede ausmachen. Vorher möchte ich pro und contra der unterschiedlichen Aufnahmetechniken kurz erläutern, ich werde jedoch nicht mehr ausführlich auf die unterschiedlichen Techniken eingehen, da diese von meinen Kollegen in den früheren Posts schon sehr gut beschrieben wurden.
XY
“Der Vorteil dieses Systemes ist, dass es absolut Mono kompatibel ist. Das heisst, wenn Du nur einen Lautsprecher hast, gibt es keine Auslöschungen durch Laufzeitunterschiede.“ (thomwettstein.com)
ORTF (Office de Radiodiffusion Télévision Française)
Die ORTF Mikrofonierung ist etwas aufwendiger, da die Mikrofone erstmal in die richtige Position gebracht werden müssen. In meinen Versuchen konnte ich keine wirklichen Argumente finden, welche für dieses System sprechen. „Eine der Hauptaufgaben beim ORTF-Aufnahmeverfahren besteht wohl darin, den aufzunehmenden Bereich bei der Wiedergabe über Lautsprecher in einem Bereich von 60 Grad abzubilden.“ (thomann.de)
„Das ORTF-System ist recht unkritisch in der Platzierung und wird von vielen Anwendern als besonders universelle Lösung angesehen.“ (Mikrofonaufsätze, Jörg Wuttke)
MS
Vorteil dieser Technik ist die individuelle Nacheinstellung der Relation zwischen Mitte und Seite, mit 2 Reglern können unterschiedliche Räume erzeugt werden. Nachteil ist sicher, dass die Audiospur vor Verwendung erst decodiert werden muss und so nicht sofort genutzt werden kann. Es ist also etwas mehr Aufwand, mit dem Plugin von „zoom“, ist dies allerdings auch schnell gemacht, also kein wirklicher Nachteil.
Da Aufnahmen im klassischen Fieldrecording auch getätigt wurden, möchte ich trotz starker Böen diese Ergebnisse auch analysieren.
Die Fieldrecording Aufnahme handelt von einer Aufnahme von meinem Balkon aus, Nachbarn sind gerade im Garten, Vögel zwitschern, bei einer anderen Nachbarin sind gerade Malerarbeiten an der Fassade im Gange, diese Maler haben zur Unterhaltung ein Radio mit, welches auf den Aufnahmen gut zu hören ist.
Balkon:
ORTF -> Wind sehr stark und generell sehr diffuses Klangfeld
XY -> präziseres Klangfeld und saubereres Signal, räumliche Ortung auch gut
MS -> auch halbwegs präzise und räumlich, aber nicht so sehr wie bei XY
Harmonika:
ORTF -> wirkt distanziert, aber realistisch, Ton zu wenig satt etwas hohl, wenig Tiefen
XY -> wirkt näher am Instrument, gute Tonwiedergabe des Musikinstruments, klar
MS -> räumlich, Tonqualität gut
Fazit
Bei der Harmonika Aufnahme gefiel mir die XY Mikrofonierung am besten, ich denke, dass das ORTF Set zu weit weg stand, und daher so distanziert klingt, was ja wiederum realistisch ist, denn das Mikrofon stand ca. 4m entfernt. Ehrlich gesagt dachte ich, dass viel weniger Unterschied zwischen ORTF, XY und MS sei in meiner Aufnahmesituation, da ich ja nicht von besonders vielen Quellen umgeben war.
Bei der Balkon Aufnahme empfinde ich auch XY am besten, knapp gefolgt von MS. ORTF ist mir zu unpräzise.
In beiden Aufnahmesituationen ist der Unterschied zwischen XY und MS sehr gering; hätte ich das MS-Verhältnis noch mehr angepasst, wäre klar die MS Stereofonie mein Favorit gewesen.
Mir der ORTF-Technik hatte ich bei meinen Aufnahmen wenig Erfolg, vielleicht liegt das aber daran, dass die Mikrofone nicht exakt in einer Ebene waren oder ich nicht die richtige Aufnahmesituation dafür hatte; für meine Einsatzbereiche war diese Technik jedenfalls nicht zufriedenstellend.
Überrascht war ich von der „MittenSeiten“ Stereofonie, diese erzeugt wirklich Raum. Außerdem gefällt mir die Möglichkeit die Relation zwischen Mitten und Seiten Anteil unabhängig voneinander in der Postproduktion einstellen zu können, so kann im Nachhinein vieles adaptiert werden. In Zukunft werde ich die „MS-Aufnahmetechnik“ mehr zum Einsatz bringen, mir war bis dato deren Wirkung und Flexibilität nicht wirklich bewusst.
Von der „XY-Mikrofonierung“ war ich nicht überrascht, da ich mit dieser schon seit längerer Zeit arbeite und immer sehr zufrieden war/bin. Ich finde die Technik bezüglich des klanglichen Ergebnisses auch sehr ausgewogen und räumlich, natürlich kann in der Nachbearbeitung nicht so viel angepasst werden, wie bei der „MS-Aufnahmetechnik“, dafür spart man sich das decodieren und kann die Datei sofort verwenden.
Ich habe viel über unterschiedliche Aufnahmetechniken praxisnah erfahren können und habe nun ein besseres Gefühl für Mikrofonierungstechniken.