Soundscape-Komposition – Klangobjekt & Klangereignis

Spricht man von Soundscape-Komposition, so kann das Klangmaterial auf verschiedene Weise zustande kommen. Was alle Formen der Soundscape-Komposition gemein haben, ist ihre enge Verbindung zur technologischen Entwicklung. Einer der entscheidendsten Entwicklungsschritte jüngerer Vergangenheit, der unseren Umgang mit kulturell-künstlerischen Technologien bis heute prägt, ist die Erfindung der mechanischen und elektronischen Reproduktion von Kulturgütern und Kunstwerken. Im Kontext der Klanggestaltung meint das die Möglichkeit der Speicherung und Weiterverarbeitung des flüchtigen Klangeindrucks. Heute meint Medientechnologie nicht mehr nur einzelne Geräte, sondern bildet ein komplettes, umfassendes Gerüst aus Vermittlungen zwischen Menschen untereinander und Menschen und Maschinen. Kunst entsteht in diesem Kontext durch den kritisch-kreativen Umgang mit diesen Technologien.

Zur Abgrenzung verschiedener Ansätze der Soundscape-Komposition sind zwei Begriffe besonders relevant: Das Klangobjekt und das Klangereignis. Für die Idee des Klangobjekts war unter anderem Pierre Schaeffer prägend. Er postulierte einen phänomenologischen Ansatz, nämlich die Isolation des aufgenommenen Klangs von seinem Kontext durch die Praxis des reduzierten Hörens (écoute réduite). Der so reduzierte Klang kann völlig neue Bedeutungen annehmen und repräsentieren, die nichts mit seinem Ursprung zu tun haben müssen. Es entsteht eine neue abgeschlossene, von seinem Kontext losgelöste und gegenständliche Einheit, das Klangobjekt (objèt sonore).

Die Musik aus Klangobjekten wird unter anderem akusmatische Musik genannt. Grundsätzlich wird, an Schaeffer angelehnt, eine Strategie der Separation und Objektivation verfolgt. Mehrkanal-Hightech-Equipment ermöglicht hierbei die Wiedergabe besonders tiefer Frequenzen und komplexe Lautsprecherarrays erlauben das Positionieren von Klängen an vielen verschiedensten Stellen des Klangbildes. Das Ziel solcher Vorstellungskonzepte ist eine immersive Wirkung des Klanges: Man soll vom Klang komplett umgeben sein und eine neu generierte Soundscape erfahren.

Dem gegenüber steht das sogenannte Klangereignis. Hier wird Klang als gegenwärtige menschliche Erfahrung verstanden. Klang ist so betrachtet vor allem Medium der Teilnahme innerhalb und Interaktion mit der Umwelt: Erst Interaktionen und Prozesse in Raum und Zeit haben nach diesem Konzept Klang als ihr Artefakt zur Folge. Zeitlich-klangliche Veränderung im dreidimensionalen Raum birgt dabei bereits Informationen über die stattgefundenen physischen und sozialen Interaktionen in sich. Diese Informationen liegen kodiert als spektrale und räumlich-zeitliche Nuancen im Klang vor, die erst im Nachhinein mit semantischen Konnotationen aufgeladen werden. Es ist ein Denken von Klang abseits der feststehenden Aufnahme und versteht Klang als im Hier-und-jetzt verhaftet, das auf natürliche Weise immersiv erfahren werden kann, ohne künstliches Nachbilden der räumlichen Erfahrung.

In der Praxis steht das Klangereignis bei vielen künstlerischen Tätigkeiten im Fokus: Beispielsweise einmalige Klanginstallationen, Sound-Walks und Performances (Deep Ecology Praxis), Live-Electronics und Improvisationen. Diese Praktiken sind meist an die Gegenwart gebunden. Wenn es überhaupt Artefakte in ihrem Zusammenhang gibt, dann sind dies meist nur Dokumentationen der Umsetzung und keine Klangaufnahmen. Wer das Klangereignis erleben möchte, muss daran teilnehmen.

Quellen:

Di Scipio, A.: “Sound Object? Sound Event! Ideologies of Sound and the Biopolitics of Music” in: Soundscape, 13/1, 2013/14, S.10-14.