Stereofonie – Mikrofoniertechniken

Durch (Hör-) Erfahrung lernt man am besten – das hat sich schon in vielerlei Hinsicht bewiesen. Zudem gibt es sehr viele technischen Möglichkeiten, die man als Sound Designer geboten bekommt, um Aufnahmen zu machen. Um aber auch das passende Mikrofon in der richtigen Aufstellung zu nutzen, um das Klangobjekt oder –Ereignis zu mikrofonieren, muss man zunächst herausfinden, welche Mikrofoniermethode für welchen Zweck optimiert ist.

Das ist besonders interessant in der Stereofonie, welche man sowohl bei Konzerten als auch bei Field Recordings viel nutzt. Um die Unterschiede durch eigene Erfahrung mit den Aufnahmemethoden festzustellen, haben wir Sound Designer folgende vier Stereofonien getestet:

MS – Stereofonie

MS steht für „Mitte Seite“ und besteht aus einer Kombination aus zwei Mikrofonen mit verschiedener Richtcharakteristik. Das M-Mikrofon nimmt das Mittensignal oder auch Monosignal auf – das kann zum Beispiel eine Kugel- oder Nierencharakteristik sein. Das S-Mikrofon mit der Achtercharakteristik zeigt nach links und nach rechts (verpolt in negativer Phase) und nimmt somit beide Seitensignale auf.

Diese Aufnahme kann man dann durch die MS-Matrix dematrizieren, wodurch man ein Links/Rechts Stereosignal erhält. Eine MS-Aufnahme kann man somit in ein XY Signale umwandeln.

In unserem Fall haben wir das MSH-6 genutzt, welches schon beide Mikrofone in ein MS-Mikrofon integriert hat (siehe Abbildung).

XY – Stereofonie

Für eine XY – Stereofonie benötigt man zwei Mikrofone mit derselben Richtcharakteristik, welche meistens eine Niere ist. Für diese Stereofonie ist der Pegel-Intensitätsunterscheid ausschlaggebend. Die beiden Nierenkapseln werden direkt übereinander angeordnet, wodurch so gut wie keine Phasenunterschiede entstehen. Um den Aufnahmewinkel, also die Stereobreite, zu verändern, muss man den Öffnungswinkel der Mikrofone vergrößern bzw. verkleinern. Hierbei gilt: Je größer der Öffnungswinkel, desto kleiner wird der Aufnahmewinkel („Zoom in“ an Klangobjekt). Gängige Winkelungen sind z.B. 90° und 120° (siehe Abbildung).

Das XYH-5, welches wir für unseren Mikrofonierungstest verwendet haben, ist schon im 90° Winkel voreingestellt (siehe Foto).  Besonders interessant ist hierbei die Mono-Komptabilität, da man durch die Nähe der Mikrofone auch nur ein Signal verwenden kann.

AB – Anordnung

Eine Stereofonie in der AB-Anordnung besteht aus zwei omnidirektionalen Druckempfängern (Kugelmikrofonen). Durch die Kondensator-Druckempfänger kann mit dieser Stereofonie vor allem gut die tiefen Frequenzen abgebildet werden, weshalb sie häufig bei Klassikaufnahmen als Hauptstereofonie verwendet werden. Die unterschiedlichen Anordnungsformen variiert mit dem Abstand zwischen den beiden Mikrofonen. Mit mind. 17cm Abstand bis ca. 38cm hat man eine „Klein-AB“Anordnung, wodurch alles darüber bis ca. 1m mit „Groß-AB“ benannt wird. Mit „Groß-AB“ wird die Abbildung größer, wodurch die Räumlichkeit besser abgebildet werden kann.

Wir haben eine „Klein-AB“ Aufnahme gemacht, bei der die beiden Kugelmikrofone auf einer Stereoschiene 17cm voneinander entfernt sind, was ungefähr dem durchschnittlichen Kopfdurchmesser ist. Hierbei ist der Aufnahmewinkel ca. 180°.

ORTF (Äquivalenzstereofonie)

Mit Äquivalenzstereofonie ist gemeint, dass die Stereofonie sowohl Laufzeit- als auch Pegeldifferenzen aufweist. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass eine rechts stehende Klarinette auf dem linken Kanal sowohl leiser abgebildet wird als auch verzöget ankommt. Dadurch kann sehr gut eine räumliche Tiefe abgebildet und eine gute Trennung und Ortung einzelner Klangquellen hergestellt wird.

 Beim ORTF, was für Office de Radiodiffusion-Télévision Francaise steht, werden die Kapsel in einem 17cm Abstand zueinander aufgestellt, wobei zwischen ihnen ein Öffnungswinkel von 110° besteht.

Dadurch, dass die Mikrofone wie beim AB räumlich getrennt sind und nicht so nah platziert wie bei MS und XY, nimmt eine ORTF Stereofonie ein breiteres Stereobild auf, jedoch nimmt man weniger Klangraum auf im Vergleich zum AB, da die Mikrofone beim ORTF gerichtet sind (Nierencharakteristik).

Aufnahme Session im Stadtpark

In unserer Aufnahme Session im Park haben wir alle 4 Stereoaufstellungen ausprobiert, wobei wir jedoch beim ORTF versehentlich die 17cm Abstand zwischen den Mikrofonen vor der Winkelung bemessen hatten und nicht den Abstand der Kapseln, weshalb ich nur die anderen drei Aufnahmen vergleiche. Hier ist unser Aufbau und die technischen Daten übersichtlich aufgelistet:

Da wir die Aufnahme im Stadtpark gemacht haben, bilden die Mikrofone keinen „Raum“ an sich ab, sondern stehen im Freiraum. Es ist deutlich hörbar, dass die Kugelmikrofone bei der AB-Stereofonie als Druckempfänger deutlich mehr tiefe Frequenzen abbilden als die anderen Mikrofonierungen. Jedoch wäre eine größere AB Aufstellung für Field Recordings vermutlich von Vorteil, um noch mehr das Freiraumvolumen aufzunehmen. Die Ortungsschärfe leidet bei dieser Mikrofonierart durch die omnidirektionale Abstrahlung ein wenig. Die Aufnahmen klingen jedoch etwas dumpf, was aber auch an den improvisierten Windschützen liegen könnte oder am Frequenzverlauf der Mikrofone. Bei der XY-Stereofonie hört man eine genauere Ortungsschärfe als bei AB, dafür nimmt es wegen der nahen Mikrofonierung weniger von der Klangumgebung auf, wodurch der Raum (auch wenn es in unserem Fall ein Freiraum war) kleiner abgebildet wird. Die MS-Stereofonie wird vorallem in der Dematrizierung interessant. Hier kann man nämlich im Nachhinein die Seitensignale und das Mittensignal getrennt voneinander bearbeiten. Dadurch kann man entweder den Raumklang vergrößern, es ist Mono-kompatibel und hat eine Stereobreite wie bei der AB Stereofonie. 

Fazit

Die Ortung ist sowohl bei XY als auch bei MS gut und deutlich, wobei MS noch den Vorteil hat die Signale im Nachhinein zu verändern. AB ist mit 17cm im Freiraum eher nicht geeignet, das selbe Experiment wäre sinnvoller in einer ruhigen Umgebung (z.B. einem Wald) mit einer größeren AB-Aufstellung auszuprobieren. Indoor ist AB nämlich eine sehr gute Stereofonie und kann sicher auch bei Field Recordings nützlich sein. Ebenso werde ich die richtige ORTF Aufstellung nochmals bezüglich des Field Recording Zwecks ausprobieren. Bis dato werde ich weiterhin meine Field Recordings in MS Aufnahmen, da diese Stereofonie für mich klanglich das beste Abbild aufnimmt.

Quellen

Buch: Mikrofone in Theorie und Praxis – Görne, Thomas
https://www.motorradreisefuehrer.de/Zoom-h6.html
https://www.zoom.co.jp/products/field-video-recording/field-recording/h6-handy-recorder/capsules
https://thomwettstein.com/stereo-mikrofonierung/
https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/896629
https://de.ehomerecordingstudio.com/stereoaufnahmeverfahren/